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iaQS: Interpretation ("Regeln") 
 
 
 Die Beurteilung der QS-Ergebnisse erfolgt nach den Westgard-Regeln. Unterschieden werden drei Kategorien: 
  • iaQualitätskontrolle ohne Vorbehalt bestanden ("QK in Ordnung")
    = Die Messwerte können verwendet werden.
     
  • Qualitätskontrolle bestanden, aber Warnung vor möglichen Problemen
    = die gemessenen Werte dürfen verwendet werden, die folgenden Messungen bzw. Serien unterliegen aber speziellen Regeln 
     
  • Qualitätskontrolle nicht bestanden 
    =
    QS ausser Kontrolle: die in dieser Analysenserie gemessenen Resultate dürfen nicht verwendet werden. Der analytische Fehler ist zu suchen und zu beheben, anschliessend muss die ganze Mess-Serie inklusive Qualitätskontrolle wiederholt werden.

Im folgenden werden diejenigen Regeln besprochen, die einfach in der Anwendung sind und sich in der Praxis bewährt haben. Die Codierung in Klammern beziehen sich auf die Westgard-Regeln. 

Für die grafische Darstellung der Regelinterpretation wurde willkürlich ein Kontrollserum genommen, für das der Hersteller für den zu messenden Analyten auf einem bestimmtem Gerät folgende Werte für den Mittelwert ± 2s Bereich deklariert: 390 bis 410 mmol/L. Damit beträgt:

  • Die Standardabweichung als Mass für die Streuung: 5 mmol/L
    Berechnung: der deklarierte Bereich umfasst 4 Standardabweichung, also
    s = (410 - 390) / 4 = 5 mmol/L.
     
  • Der Mittelwert (Sollwert) = 400 mmol/L
    Berechnung: auf zwei Arten möglich:
    a) Mittelwert = unterer Wert + 2s = 390 + 10 = 400 mmol/L
    b) Mittelwert = oberer Wert - 2s = 410 - 10 = 400 mmol/L.

Damit lässt sich ein Kontrollblatt erstellen, das beispielsweise wie folgt aussehen könnte: 

 Aus Platzgründen werden nur 15 Messwerte dargestellt, üblich ist aber die Messwerte eines Monats (bei seltenen Messungen auch über einen grösseren Zeitraum) darzustellen.
 

Qualitätskontrolle bestanden (ohne Vorbehalte)  

Definition: Die Werte der Kontrollen (verschiedene Niveaus desselben Analyten) liegen innerhalb der Warngrenzen (Mittelwert ± 2s). Sie sind damit innerhalb der gegeben Grenzen, die ganze Serie kann akzeptiert und die Resultate können freigegeben werden.

Anmerkung zur Abbildung: gewählt wurde willkürlich ein Sollwert von 400 mmol/L. Die Standardabweichung beträgt 5 mmol/l. Grün dargestellt ist der Bereich, welcher Werte innerhalb der Warngrenzen, d.h. Mittelwert ±2s, umfasst. Der rote Bereich beinhaltet Werte zwischen ±2s und ±3s, die äussere Begrenzung wird als Kontrollgrenze bezeichnet. Dargestellt sind 15 Kontrollwerte. 

Entscheid: Die in dieser Serie bei Patienten gemessenen Werte dürfen verwendet werden.

Anmerkung: Falls allerdings dieses ungetrübte Bild über hunderte von Kontrollwerten anhalten sollte, so heisst dies nicht, dass es sich um ein hervorragendes Analysensystem handelt, sondern bedeutet nicht anderes, als dass die Warn- und Kontrollgrenzen zu grosszügig bemessen sind. In diesem Fall muss die Streuung der Kontrollwerte, (d.h. Warn- und Kontrollgrenzen) neu berechnet werden! 

 

Qualitätskontrolle bestanden, aber Warnung vor möglichen Problemen  

Regel: 1-2s 

Definition: Die 1-2s Regel lautet: Ein Kontrollwert liegt ausserhalb der Warngrenzen von ± 2s, aber noch innerhalb der Kontrollgrenzen von ± 3s.

Entscheid: Gilt lediglich als Warnung, d.h. die Resultate der Patientenproben dürfen verwendet werden. Der nächsten QK ist aber erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, insbesondere der 2-2s Regel (siehe unten). Wiederholt sich die gleiche Situation, so dürfen die Werte nicht freigegeben werden und es ist nach der Ursache zu suchen.

Begründung: rein statistisch gesehen müssen bei 100 Werten 4-5 Resultate ausserhalb der Warngrenzen liegen. Es handelt sich damit um ein Ereignis, das bei korrekten Warn- und Kontrollgrenzen von Zeit zu auftreten muss!

 

Qualitätskontrolle nicht bestanden  

Regel: 2-2s 

Definition: Die 2-2s Regel lautet: zwei aufeinanderfolgende Werte liegen 

  • a) auf der gleichen Seite zwischen der Warn- und Kontrollgrenze.
  • b) auf verschiedenen Seiten zwischen der Warn- und Kontrollgrenze. 

Entscheid: QK ausser Kontrolle, die Ergebnisse der Patientenproben dürfen nicht verwendet werden. Der Fehler ist zu suchen und zu beheben, anschliessend muss die ganze Messserie wiederholt werden (inkl. Kontrollseren mit erneuter Beurteilung der QK).

Für die Fehlersuche ist die Unterscheidung zwischen den Möglichkeiten wichtig: Fall a) spricht eher für einen systematischen Fehler, bei Fall b) könnte es sich um ein Präzisionsproblem handeln.


Regel: 1-3s 

Definition: Die 1-3s Regel lautet: Ein oder mehrere Resultate der QK liegen ausserhalb der Kontrollgrenzen von Mittelwert ± 3s.

Entscheid: QK ausser Kontrolle, die Ergebnisse der Patientenproben dürfen nicht verwendet werden. Der Fehler ist zu suchen und zu beheben, anschliessend muss die ganze Messserie wiederholt werden (inkl. Kontrollseren mit erneuter Beurteilung der QK).

Begründung: Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass der Kontrollwert richtig ist, ist sehr gering, da 99.7% aller korrekten Werte innerhalb von Mittelwert ± 3s liegen. 


Regel: 4-1s 

Definition: Die 4-1s Regel lautet: Vier aufeinanderfolgende Kontrollwerte überschreiten die 1s-Grenze auf der gleichen Seite. 

 

Entscheid: QK ausser Kontrolle, die Ergebnisse der Patientenproben dürfen nicht verwendet werden. Der Fehler ist zu suchen und zu beheben, anschliessend muss die ganze Messserie wiederholt werden (inkl. Kontrollseren mit erneuter Beurteilung der QK).

Anmerkung: Es handelt sich ganz eindeutig nicht um ein Präzisionsproblem, sondern um einen systematischen Fehler, d.h. um eine systematische Abweichung vom richtigen Wert.


Regel: 10x 

Die 10x-Regel lautet (zwei der verschiedenen Versionen): 

A) 10 aufeinanderfolgende Werte liegen auf der gleichen Seite des Mittelwertes.

B) 10 aufeinanderfolgende Werte zeigen eine steigende (oder fallende) Tendenz.

 

Definition: Die 10x Regel lautet (Variante A): 10 aufeinanderfolgende Werte liegen auf der gleichen Seite des Mittelwertes.

Entscheid: QK ausser Kontrolle, die Ergebnisse der Patientenproben dürfen nicht verwendet werden. Der Fehler ist zu suchen und zu beheben, anschliessend muss die ganze Messserie wiederholt werden (inkl. Kontrollseren mit erneuter Beurteilung der QK).

Definition: Die 10x Regel lautet (Variante B): 10 aufeinanderfolgende Werte zeigen eine steigende (oder fallende) Tendenz.

Entscheid: QK ausser Kontrolle, die Ergebnisse der Patientenproben dürfen nicht verwendet werden. Der Fehler ist zu suchen und zu beheben, anschliessend muss die ganze Messserie wiederholt werden (inkl. Kontrollseren mit erneuter Beurteilung der QK).

Anmerkung: Die Variante A macht insbesondere bei präzisen (!) Analysensystemen immer wieder unnötige Probleme und wird daher in vielen Laboratorien ignoriert, insbesondere wenn die Werte innerhalb der Warngrenzen liegen.

Anders ist es bei der Version B: diese Situation weist eindeutig darauf hin, dass das Analysensystem nicht mehr stabil ist (z.B. infolge verdorbener Reagenzien). Die Frage ist in dieser Situation nur, ob man tatsächlich 10 Kontrollwerte abwarten soll, bevor man etwas unternimmt . 

Die sinngemäss gleiche Regel existiert auch als 7x-Regel.

 

Begründung der Regeln  

Regel 1-2S: Die Genze von Mittelwert ± 2s umfasst umfasst 95.5% der Werte in einer Normalverteilung. Wenn beispielsweise 1000 Qualitätskontrollmessungen durchgeführt werden, dann liegen dementsprechend zwischen 40 und 50 Werte aus rein statistischen Gründen ausserhalb dieser Grenzen.

Regel 1-3S: Die Grenze von Mittelwert ± 3s umfasst immerhin 99.7% der Werte einer Normalverteilung. Unter 1000 Messungen von Qualitätskotrollseren sind also zufallsbedingt lediglich 3 Werte ausserhalb dieser Grenzen. Diese Wahrscheinlichkeit ist dermassen gering, dass Werte ausserhalb von abgelehnt werden müssen.

Die weiteren Regeln: 4-1s Regel und 10x-Regel
Zusätzlich sind zwei weitere Regeln beschrieben, deren Gebrauch aber vor allem wegen mangelnder statistischer Unterstützung umstritten ist. Sie sind hier der Vollständigkeit halber angeführt

 
Vorgehen, falls die QS einen Fehler anzeigt  

Falls nicht gerade eine offensichtliche Ursache für einen Fehler vorliegt, so empfiehlt es sich, die Qualitätskontrolle zu wiederholen. Rein statistisch liegt jede 20. Qualitätskontrolle ausserhalb der 2s-Grenzen. Liegt immer noch eine Verletzung der Qualitätskontrollregeln vor, so ist nach der Ursache zu suchen.

Fehlersuche 
Einige häufige Ursachen von Fehlern sind:

  • Die Reagenzien waren auf dem Transport oder während der Lagerung hohen Temperaturen oder Feuchtigkeit ausgesetzt.
     
  • Überalterte Reagenzien.
     
  • Fehler bei der Kalibration oder Verwendung einer falschen (ehemaligen) Kalibrationskurve.
     
  • Verschiedene Lots (Chargen) der Reagentien bei Kalibration und Analytik
     
  • Verwendung einer falschen Pipette.
     
  • Falsche Reihenfolge der Reagentien.
     
  • Funktionsstörung des Messgeräts: Temperatur, altersschwache Lichtquelle, falsches Filter.
    Verschmutzung der Optik.
     
  • Falsche Messtemperatur.
     
  • Schwankungen des elektrischen Stroms
     
  • Ungeeignetes Untersuchungsmaterial: Serum statt Plasma, falsches Antikoagulans, Interferenzen.

Fehlerbehebung 
Ist der Fehler erkannt, so ist die Fehlerbehebung meistens offensichtlich. Eine gewisse Zahl an Fehlern ist vermeidbar durch den regelmässigen Gebrauch von Checklisten bzw. SOPs zur Überprüfung der Analysengeräte, der Techniken und Reagentien (Wechsel auf ein neues Lot).

Ist kein eindeutiger Fehler eruierbar, so empfiehlt es sich, die Methode neu zu kalibrieren. 

 
Fortlaufende Kontrolle  

Jeden Monat bzw. nach ungefähr 20 Serien (15-30), jedoch innerhalb einer maximalen Zeitspanne von 4 Monaten, wird der Mittelwert, die Standardabweichung und der Variationskoeffizient berechnet. Kontrollen, welche wiederholt werden mussten, werden in Klammern auf dem Kontrollblatt eingetragen, jedoch für die Berechnung der Präzision nicht verwendet. Falls Mittelwert, Standardabweichung und Variationskoeffizient über diesen Zeitraum nicht stabil bleiben, zeigen sie Probleme an. Manchmal muss der Mittelwert nach einer vorläufigen Zeit korrigiert werden, bis sich die Werte stabilisieren.

 
"Neues" Kontrollserum  

Nach einer gewissen Zeit ist der Vorrat an Kontrollserum aufgebraucht. Falls von der Herstellerfirma kein Kontrollserum mit der gleichen Lotnummer mehr erhältlich ist, muss davon ausgegangen werden, dass die nun im Handel befindliche Charge des Kontrollserums u.U. eine leicht andere Konzentration der Analyte aufweist. Dies bedingt, dass man wieder mit einer Vorbereitungsphase beginnen muss, d.h. man hat anhand von 20 Vorwerten wiederum Mittelwert, Warn- und Kontrollgrenzen festzustellen und in einem Kontrollblatt einzutragen.

Damit kein Unterbruch in der Labortätigkeit auftritt, muss damit mindestens 20 Arbeitstage vor dem Versiegen der alten Lotnummer begonnen werden, d.h. es werden während dieser Zeit parallel beide Kontrollseren mitgeführt. 

 
QS auf 2 Kontrollniveaus  

Zeigen beide Kontrollseren die gleiche Regelverletzung so ist die Beurteilung einfach. Schwierig wird es bei divergierenden Ergebnissen. Im allgemeinen lässt sich das Problem durch eine Neukalibration lösen. 

 


12.12.2000 / hpk