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Nachweis und Messung 
 

 

Nachweis = qualitative Erfassung 
Es wird lediglich nach dem Vorhandensein (oder Fehlen) einer bestimmten Substanz, Stoffgruppe oder Eigenschaft gefragt. 

Ob ein Nachweis positiv ist (= Substanz nachweisbar) oder nicht, hängt natürlich stark von der Messempfindlichkeit der verwendeten Methode ab. Es ist deshalb gefährlich, bei fehlendem Nachweis zu formulieren: “Substanz X nicht vorhanden”! Vielmehr sollte das Ergebnis lauten: “Substanz X mit der Methode Y nicht nachweisbar” oder “Substanz X unterhalb der Nachweisgrenze”. Dabei ist zu beachten, dass der Nachweis, dass eine Substanz in sehr niedrigen Konzentrationen vorhanden sein könnte, oder gar fehlt, diagnostisch von überragender Bedeutung sein kann. Leider haben dies die meisten Ersteller von Austrittsberichten von Spitälern nicht verstanden, so dass beispielsweise ein negatives Ergebnis einer Autoimmunerkrankung oft nicht im Bericht erscheint, weil das Resultat ja negativ war. Dass die Symptome des Patienten aber nicht von einer bestimmten Autoimmunerkrankung her stammt, ist für die Zukunft des Patienten wichtig.

 
Messung = quantitative Erfassung 
Es stellt sichmeist die Frage nach der Konzentration eines allfällig vorhandenen Stoffes. Diese kann als Massenkonzentration (z.B. in g/L) oder als Stoffmengenkonzentration (z.B. in mol/L) angegeben werden. In vielen Ländern, u.a. der USA und Deutschland sind auch Angaben in mg/dL gebräuchlich, wenn auch von den Fachgesellschaften nicht empfohlen. Dank ständig verbesserter Methodik können heute in der klinischen Chemie die meisten der klinisch interessanten Substanzen quantitativ erfasst werden. Viele Messmethoden sind standardisiert, so dass die Messwerte auf einem Gerät eines Anbieters und die eines anderen Anbieters sich nicht unterscheiden. Beispiele sind Kreatinin und HbA1c. Viele andere Parameter, insbesondere diejenigen, die mittels Antikörperbindung gemessen werden (Proteine, Hormone) sind allerdings nicht oder noch nicht standardisiert. Dabei ist nicht nur die Kundenbindung des Gerätelieferanten ein Thema, die Kosten einer solchen Standardisierung sind enorm und es braucht viele Jahre um einen einzelnen Analyten zu standardisieren. Bis dies so weit ist, sollte man Likelyhood-Ratios einführen, so dass die Messungen verschiedener Anbieter mit der Klinik verbunden werden und daher auch vergleichbar sein werden.

Bezüglich formulieren des Ergebnisses bei fehlendem Nachweis gelten selbstverständlich auch hier die oben formulierten Regeln.

Anmerkung: So klar und eindeutig ist die Unterteilung in qualitative und quantitative Erfassung in Wirklichkeit nicht. So setzt jede quantitative Messung voraus, dass die fragliche Substanz erkannt, d.h. also nachgewiesen wird. Aber auch bei der qualitativen Erfassung spielt eine gewisse Quantifizierung mit: es muss eine Grenze (cut-off) festgelegt werden für den Entscheid, ob eine Substanz nachweisbar ist oder nicht (Nachweisgrenze). Diese wird vom Lieferanten des Testes in der Packungsbeilage bekannt gegeben.

 
Semiquantitative Erfassung 
Manchmal ist es ausreichend sich auf Resultatbereiche zu beschränken anstatt genaue Zahlen anzugeben. Es sind verschiedene Unterteilungen gebräuchlich, z.B. nicht nachweisbar, Spur, deutlich, massenhaft usw.

Beispiel: bei der Urinuntersuchung mittels Urin-Teststrip erfolgt die Angabe verschiedener Bestandteile semiquantitativ, so kann die Anzahl der Erythrozyten im Urin beispielsweise in die Bereiche negativ, mehr als 10/mL, mehr als 150/mL unterteilt werden.

Die Einteilung in verschiedene semiquantitative Bereiche ist leider nicht einheitlich, d.h. bei der gleichen Probe wird ein Labor als Resultat noch als "negativ" angeben, währenddem von einem anderen Labor im Bericht "Spur" angegeben wird. Schwierig ist die unterschiedliche Definition von "grau-Bereichen" in der Immunologie. Jeder Anbieter hat hier andere Regeln. Meist werden die Grauzonen mittels ROC-Kurven ermittelt, die leider nciht publik gemacht werden, so dass nicht klar ist, wie der Messwert zu interpretieren ist. Das Labor kann hier oft nicht genügend Unterstützung leisten, aber er kann die Mediziner darauf aufmerksam machen, dass die Interpretation eines Wertes mit dem klinischen Verdacht zusammenhängt. So ist eine 1:360 Messung bei einem Patienten mit fehlender klinischen Sympotmatik nicht aussagekräftig, oder gar als negativ zu werten, wenn der Arzt aber denkt, dass es von der Klinik her sehr wahrscheinlich ist, dass die entsprechende Autoimmun-erkrankung vorliegt, ist dieser Wert als Bestätigung zu werten ("positiv").

 

Semiquantitative Erfassung 

Zur Beurteilung, ob ein Resultat im pathologischen Bereich liegt oder nicht, werden die im Labor gemessenen Werte mit Werten verglichen, wie sie bei gesunden Personen üblich sind. Ein Ausschnitt (z.B. 95%) des Wertebereichs, der bei Gesunden beobachtet werden kann, wird als Referenzbereich oder Normbereich bezeichnet.

Beispiel: Der Referenzbereich für Calcium im Blut liegt zwischen 2.18 und 2.70 mmol/L. Das bedeutet, dass 95% der Gesunden einen Calciumspiegel im Blut zwischen 2.18 und 2.70 mmol/L aufweisen.

Besser wäre es, die Messwerte mit den Vorwerten des Patienten zu bewerten und nicht in Relation zu einer "Durchschnittsbevölkerung". Dies ist möglich, wenn man statt Referenzbereich den sog. RCV (reference change value) einsetzt. Dieser Wert beschreibt die intraindividuelle Variation, also die Variationsbreite eines Analyten in ein und derselben Person. Bei Kreatinin ist der Referenzbereich zwischen 50 und ca 100 mmol/L im Serum/Plasma, der RCV beträgt aber nur 10% des Vorwertes. Alle Werte darüber wären bereits pathologisch. Siehe unter RCV.


Methoden der klinischen Chemie
In der klinischen Chemie werden die unterschiedlichsten Techniken zum Nachweis oder zur Messung von Substanzen verwendet. Es lassen sich folgende grosse Gruppen abtrennen:

  • Physikalische bzw. physiko-chemische Methoden
    Beispiel: Messung von Blutgasen und Elektrolyten mit ionenselektiven Elektroden oder Bio- bzw. Chemosensoren.
  • Nachweis nach chemischer bzw. enzymatischer Umwandlung
    Beispiel: Messung von Enzymen wie LDH
  • Immunochemische Methoden
    Beispiel: Messung von Hormonen mittels Radioimmunoassay
  • Biologischer Nachweis (Bioassay)
    Bioassays haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren und werden nur noch vereinzelt eingesetzt.

Nicht selten werden mehrere dieser Techniken kombiniert, um bestimmte Substanzen messen zu können. 


28.08.2021 / bw