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Der Urinstix  
 
 
Die folgenden Angaben beziehen sich allgemein auf die Leistungsfähigkeit von Streifen, die jedoch im Einzelfall, je nach Hersteller, unterschiedlich sein können. 

 

Die Felder 

Mit den Urinstix (Teststreifen) ist es möglich im Nativ-Urin mehrere Analyte gleichzeitig semiquantitativ zu bestimmen. Der Streifen kann je nach Hersteller und Typ verschieden konfiguriert sein, eine häufige Kombination wird jedoch durch folgende Felder gebildet: 

 

        Kompensationsfeld 
  pH 
  Leukozyten 
  Nitrit 
  Protein 
  Glucose 
  Ketonkörper 
  Bilirubin 
  Urobilinogen 
  Blut 
  Hämoglobin 
[Spezifisches Gewicht] 

 

Kompensationsfeld 

Bei der Auswertung der Teststreifen durch ein Reflexionsphotometer muss die Eigenfarbe des Urins berücksichtigt werden. Der Teststreifen enthält daher ein Kompensationsfeld, das beim Eintauchen in den Urin die Eigenfarbe des Urins annimmt.

 

pH 

Der pH-Wert entspricht dem negativen Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration [H+]. Der pH-Wert von 7.0 gilt als neutral, tiefere pH-Werte (=höhere H+-Ionenkonzentration!) kennzeichnen einen sauren Urin, höhere pH-Werte (= tiefere H+-Ionenkonzentration!) einen alkalischen (=basischen) Urin. 

Prinzip: Das Testfeld enthält die drei Indikatoren Methylrot, Phenolphthalein und Bromthymolblau.

Beurteilung: Der pH-Wert im Urin ist physiologischerweise abhängig von der Stoffwechsellage und der Ernährung und kann bei Gesunden zwischen pH 4.5 und pH 8 schwanken, liegt jedoch bei frischem Urin meistens zwischen pH 5 und pH 6.

Alkalische Werte (pH über 8) lassen an einen Harnwegsinfekt oder zu langes Stehenlassen des Urins denken. Als Erreger eines Infekts kommen dabei vor allem harnstoffspaltende Mikroorganismen in Frage, da bei dieser Reaktion der alkalinisierende Ammoniak (NH3) freigesetzt wird. Am häufigsten ist Proteus mirabilis, allerdings können auch einzelne Stämme von Klebsiellen, Pseudomonas, Providencia und Staphylokokken das harnstoffspaltende Enzym Urease enthalten.

 
Leukozyten, Nitrit 

die beiden Felder dienen (z.T. zusammen mit dem pH-Feld) der Erfassung entzündlicher Erkrankungen.  

Leukozyten 
Prinzip: das Feld "Leukozyten" erfasst die Leukozytenesterase. Dieses Enzym spaltet einen Indoxylester zu Indoxyl, das mit einem Diazoniumsalz zu einem violetten Farbstoff reagiert. Im Urin vorkommende Bakterien, Trichomonaden und Erythrozyten führen zu keiner Reaktion. 

Beurteilung: Eine Leukozyturie deutet auf einen Infekt der Harnwege. Fehlender Nachweis von Bakterien bei Vorliegen einer Leukozyturie sollten an eine Tuberkulose denken lassen. Umgekehrt kann es bei einer Leukopenie zu einer Bakteriurie ohne Leukozyturie kommen. 

Falsch positive Ergebnisse: können durch das Konservierungsmittel Formaldehyd und Medikation mit Imipenem, Meropenem und Clavulansäure hervorgerufen werden.

Falsch negative Ergebnisse: Bei stark gefärbten Urinen, z.B. wegen hohen Konzentrationen an Bilirubin oder Nitrofurantoin kann die Reaktionsfarbe überdeckt werden. Eiweissausscheidungen über 5 g/L oder Glucoseausscheidungen über 20 g/L können zu einer Abschwächung der Reaktionsfarbe führen, ebenso eine Therapie mit Cephalexin oder Gentamycin in hohen Tagesdosen. 

Nitrit 
Prinzip: Üblicherweise enthält Urin kein Nitrit, jedoch in unterschiedlicher Konzentration (nahrungsabhängig) Nitrat. Verschiedene gramnegative Bakterien sind jedoch in der Lage Nitrat in Nitrit umzuwandeln, so dass dieses Feld als Indikator für eine Bakteriurie verwendet werden kann. Der Test beruht auf dem Prinzip der Griess'schen Probe, welche spezifisch ist für Nitrit.

Beurteilung: Bereits eine schwache Rosafärbung zeigt eine signifikante Bakteriurie an. Allerdings gilt die Sensitivität des Nitritfeldes aus folgenden Gründen als nicht sehr hoch: 

  • Es muss eine genügend grosse Anzahl von Bakterien im Urin vorhanden sein, d.h. mehr als 100000 Bakterien/mL bzw. 100 Millionen/L.
  • Der Urin muss genügend Nitrate enthalten
  • Die Bakterien müssen genügend lange (mindestens 4 Stunden) im Urin wirksam sein können.
  • Nicht alle Bakterien sind zur Nitritbildung fähig.

Falsch negative Ergebnisse: sind möglich bei einer Infektion durch nicht-nitritbildende Mikroorganismen, bei mangelndem Nitrat im Urin, häufiges Urinlassen, stark verdünntem Urin, sehr saurem Urin und bei hoher Konzentration an Urobilinogen. Eine Antibiotika- bzw. Chemotherapie sollte (falls möglich!) 3 Tage vor der Urinsammlung abgesetzt werden.

Falsch positive Resultate kommen vor allem bei kontaminiertem Urin vor, besonders wenn der Urin zwischen Probensammlung und Untersuchung lange stehen gelassen wird.

 

 

 
Protein 

Prinzip: Der Test beruht auf dem Prinzip des Proteinfehlers von pH-Indikatoren. 

Beurteilung: Erfasst wird vor allem das Albumin. 

Falsch negative Ergebnisse: Diagnostisch bedeutsame falsch negative Resultate können daher bei der Ausscheidung leichter Ketten von Immunglobulinen vorkommen. Es ist deshalb unerlässlich, dass bei Verdacht auf eine monoklonale Gammopathie (z.B. bei Multiplem Myelom) gezielt nach der Ausscheidung von leichten Ketten gesucht wird, z.B. mittels einer Proteinelektrophorese des Urins. 

Falsch positive Ergebnisse:  können vorkommen, falls der untersuchte Urin einen hohen Gehalt an Leukozyten oder Epithelzellen aufweist. Weitere Ursachen sind Infusionen mit dem Blutersatzmittel Polyvinylpyrrolidon oder Reste von Desinfektionsmitteln. 

 

Glucose, Ketonkörper 

Die Testfelder Glucose und Ketonkörper werden eingesetzt zum Nachweis einer Glucosurie bzw. Ketonurie bei der Diagnostik und Therapiekontrolle des Diabetes mellitus.

Glucose 
Prinzip: der Glucosenachweis erfolgt nach der Glucoseoxydase-Peroxidase Methode.

Beurteilung: die geringen Mengen an Glucose im Urin werden von den Urinstix nicht erfasst. Daher sollte der Nachweis von Glucose immer an einen Diabetes mellitus denken lassen. 

Ketonkörper  
Prinzip
:  Der Nachweis beruht auf der Probe nach Legal und reagiert stärker auf Acetessigsäure (Acetoacetat) als auf Aceton. 

Beurteilung: die zu den Ketonkörpern zusammengefassten 3-Hydroxybuttersäure (ß-Hydroxybuttersäure, 3-HB), Acetoacetat und Aceton werden beim Abbau von Fettsäuren gebildet.  Sie treten daher bei einem dekompensierten Diabetes mellitus, aber auch beim Hungern (bzw. Fasten) auf. 

Bei ausgeglichenem Stoffwechsel ist das Verhältnis von 3-Hydroxybuttersäure zu Acetoacetat annähernd 1:1, verändert sich jedoch bei einer diabetischen Ketoazidose auf über 4:1. Zu beachten ist nun, dass bei der Probe nach Legal nur Acetoacetat und Aceton, nicht aber 3-Hydroxybuttersäure erfasst werden. (In Erprobung ist z.Z. ein Biosensor der in der Lage ist, sowohl Glucose wie auch 3-Hydroxybuttersäure im Blut zu messen (Abbott)).

Falsch negative Ergebnisse sind möglich nach Einnahme von Ascorbinsäure (Vitamin C), falsch positive Ergebnisse wurden beobachtet unter Therapie mit Medikamenten, welche Thiolgruppen enthalten (z.B. Captopril). 

Indikationen: mehrfach erhöhte B-Glucosewerte (mehr als 300 mg/dL), Infektionen oder Azidose typische Symptome wie Übelkeit, Brechreiz oder abdominelle Beschwerden. 

 

Bilirubin, Urobilinogen 

kann hilfreich sein bei Hämolysen und Erkrankungen von Leber und Gallengangsystem.

Bilirubin 
Prinzip: der Nachweis beruht auf der Kupplung eines Diazoniumsalzes mit Bilirubin.

Urobilinogen 
Prinzip: ein stabiles Diazoniumsalz gibt mit Urobilinogen nahezu momentan einen roten Azofarbstoff.  

 

Blut, Hämoglobin 

Erfasst werden damit sowohl intakte Erythrozyten wie auch, in Form des Hämoglobins, aufgelöste rote Blutkörperchen. 

Erythrozyten 
intakte Erythrozyten hämolysieren auf dem Testfeld. Das austretende Hämoglobin katalysiert wegen seiner peroxidatischen Wirkung die Oxidation eines Farbstoffes, wodurch sichtbare grüne Punkte entstehen. Da das Feld mehr als einen Mikroliter Urin aufnimmt, ist die Anzahl Punkte grösser als die angegebene Anzahl Erythrozyten. 

Hämoglobin / Myoglobin 
dieses Testfeld beruht auf dem gleichen Prinzip, allerdings kommt es bei Vorhandensein von Hämoglobin und/oder Myoglobin zu einer diffusen Anfärbung des Feldes. Eine Unterscheidung zwischen Hämoglobin und Myoglobin ist nicht möglich.

 

Spezifisches Gewicht 

Einzelne Urinstix bieten zusätzlich das Feld "Spezifisches Gewicht" an. 

Testprinzip: Das Testfeld enthält einen Polyelektrolyten (Poly(methylvinyläther/maleinsäure) und den pH-Indikator Bromthymolblau.
Der Polyelektrolyt besteht aus einer Kette von Monomeren, die Säuregruppen tragen. In einer wässerigen Lösung, wie z.B. Urin, geben die Säuregruppen Protonen (H+-Ionen) ab und werden so negativ geladen. Verliert aber die Säuregruppe eines Monomers ein Proton, so ist die Abgabe des Protons von der zweiten Säuregruppe des gleichen Monomers erschwert, da sonst zwei eng benachbarte negativ geladene Gruppen entstehen würden. Positiv geladene Ionen des Urins, vor allem Na+, können nun aber die entstandene negative Ladung abdecken und somit die Abgabe des benachbarten Protons ermöglichen. Je mehr positiv geladene Ionen der Urin enthält, desto mehr Protonen können sich also vom Polyelektrolyten lösen, was zu einer pH-Änderung des Urins mit entsprechendem Farbumschlag des pH-Indikators führt.

Mit dieser Messmethode wird demnach die Salzkonzentration des Urins als Mass für das spezifische Gewicht benutzt. Die Angabe erfolgt semiquantitativ. Da zur Anzeige die H+-Ionenkonzentration verwendet wird, muss eine dem Urin-pH entsprechende Korrektur durchgeführt werden.

 

Ablesung der Urinstix 

Die Ablesung der Farbveränderung jedes einzelnen Feldes kann von Auge anhand einer Vergleichsskala erfolgen. Da dabei aber subjektive Einflüsse nicht ausgeschlossen werden können, wird heute die Auswertung der Felder mittels eines Reflexionsphotometers bevorzugt. Die Resultate sind bei beiden Methoden semiquantitativ.

 

Vorteile der Teststreifen 
  • kurze Testdauer (Sekunden bis Minutenbereich)
  • Ansetzen von Reagenzien entfällt
  • gleichzeitige Messung mehrerer Analyte
  • POCT (Point-of-Care-Test)
  • Mechanisierte Ablesung möglich

 zu: Urinsediment


21.11.2000 / hpk