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Unmittelbare Untersuchung des Urins  
 
 
Übersicht 
Zu den unmittelbaren Urinuntersuchungen gehören  
Volumen 
Die Messung des Urinvolumens kann mit einem Messzylinder vorgenommen und das Ergebnis auf 10 bzw. bei kleinen Volumina auf 1 mL auf- oder abgerundet werden.

Bezüglich des ausgeschiedenen Volumens gilt folgende klinische Terminologie: 

Polyurie : dU-Volumen =  mehr als 2000 mL/d
Oligurie : dU-Volumen =  100 - 500 mL/d
Anurie : dU-Volumen =  weniger als 100 mL/d

Ursachen der Polyurie: Diabetes mellitus, Diabetes insipidus, hypercalcämische Nephropathien, chronisch-urämische Nierenleiden und Spätphasen nach akutem Nierenversagen (polyurische Phase nach Schockniere), exzessive Flüssigkeitszufuhr, Diuretika, Kaffee. 

Ursachen von Anurie/Oligurie: akutes Nierenversagen (Schock), Schwermetallvergiftungen (Quecksilber), chronische Nephropathie, stark verminderte Flüssigkeitszufuhr, starker Flüssigkeitsverlust (Schwitzen, Diarrhoe), Abflussbehinderung in den ableitenden Harnwegen.

Anmerkung: für Patienten kann es u.U. schwierig sein, zwischen einer Polyurie mit grossen einzelnen Urinvolumina und einer Pollakisurie mit häufigen, aber kleinen Urinvolumina zu unterscheiden.

Konzentrative (= colligative Eigenschaften) 
= Mass für die Partikelkonzentration.

Die Konzentration der Partikel im Urin gibt Auskunft über die Konzentrationsfähigkeit der Nieren. 

Zu den Partikeln zählen vor allem Ionen (Elektrolyte), aber auch Moleküle wie das Creatinin. Einen Rückschluss auf die Partikelkonzentration erlaubt die Messung des spezifischen Gewichts (Aräometer/Refraktometer) oder die Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung.

  • Aräometer (Senkspindel) 
    Aräometer sind feste Glaskörper, die am unteren Ende eine kolbenartige Verdickung besitzen, die zum Beschweren mit Blei oder Quecksilber gefüllt ist. Sie funktionieren nach dem archimedischen Prinzip, das besagt, dass der Auftrieb, der auf einen in einer Flüssigkeit befindlichen Körper wirkt, der verdrängten Masse der Flüssigkeit entspricht. In Bezug auf das Aräometer bedeutet das: Je tiefer es in die Flüssigkeit eintaucht, desto geringer ist deren Dichte. Die Eintauchtiefe bzw. das spezifische Gewicht des Urins kann auf einer Skala abgelesen werden. Es ist darauf zu achten, dass das Instrument frei schwimmen kann. 
    Da die Aräometer auf 15°C geeicht sind, ist auch die Urintemperatur zu berücksichtigen: für je 3°C über 15°C ist ein Teilstrich zu addieren, für je 3°C unter 15°C ist je ein Teilstrich zu subtrahieren. 
    Präzision und Reproduzierbarkeit der aräometrischen Messungen sind schlecht, so dass die Methode mehr und mehr verlassen wird.
     
  • Refraktometrie 
    Mit einem Refraktometer wird die Lichtbrechung des Urins bestimmt, die von der Konzentration der Partikel abhängig ist. Wenige Tropfen Urin reichen zur Untersuchung aus. Glucose und Proteine beeinflussen die Bestimmung.
     
  • Messung mit Urinstix 
    Das Testfeld enthält einen Polyelektrolyten und einen pH-Indikator. Hohe Konzentrationen an einwertigen Ionen (Natrium, Kalium) setzen Wasserstoffionen frei, so dass die Farbe des pH-Indikators ändert. Die Messung ist damit von der Temperatur und der Glucosekonzentration unabhängig. 
     
  • Gefrierpunktserniedrigung 
    (Kryoskopie). Je grösser die Partikelkonzentration, desto grösser die Gefrierpunktserniedrigung.

Klinische Terminologie 
(bei der Resultatangabe wird das spezifische Gewicht mit Faktor 1000 multipliziert)
 

Eusthenurie : spezifisches Gewicht zwischen 1020 und 1040
Hyposthenurie : spezifisches Gewicht kleiner als 1020
Hypersthenurie  : spezifisches Gewicht grösser als 1040
Isosthenurie : Die Niere kann weder verdünnen noch konzentrieren, sie scheidet daher einen mit dem Blutplasma isotonischen Urin aus, dessen spezifisches Gewicht konstant zwischen 1008 und 1012 (ca. 300 mosmol/L) liegt.

 
Trübungen 
Frisch gelöster, noch körperwarmer Urin ist in der Regel klar. Nach der Einnahme von Obst kann, wegen der Ausscheidung von Phosphaten, auch der frische Urin leicht getrübt sein. Beim Abkühlen der Urinprobe können Salze und Kristalle ausfallen und dadurch eine Trübung bewirken.

Trübungen können verursacht sein durch:

  • Salze
    • Amorphe Urate bewirken eine rote Farbe ("Ziegelmehl")
      Nachweis: wird der Urin auf 37°C erwärmt, verschwindet die Trübung.
    • Phosphate
      Nachweis: die Trübung verschwindet nach Ansäuern (einige Tropfen 1 molare Essigsäure zugeben).
  • Bakterien und Leukozyten oder durch Pilze
  • Fette
    Nachweis: 5 mL des Urins 15 Minuten bei mindestens 3000 g zentrifugieren. Mit einer Pipette (Pasteur) Urin von der Oberfläche des Überstandes entnehmen, mit Sudan färben und nach 10 Minuten im Mikroskop untersuchen. Positiver Nachweis: sudanophile Tropfen, die im polarisierten Licht kein Malteserkreuz aufweisen.
    Vorsicht: ölhaltige Schmiermittel, wie sie beispielsweise beim katheterisieren verwendet werden, ergeben ein identisches Ergebnis. 
     

 

Farbe des Urins 
Farbänderungen des Urins können durch Medikamente oder Nahrungsmittel hervorgerufen werden oder auf pathologische Vorgänge hinweisen. 

Die Liste der möglichen Farbveränderungen ist, vor allem wegen der vielen Medikamente, riesig. Bekannt ist der rote Urin bei Hämaturie, der aber auch auf die Einnahme von Randen auftritt. Roter Urin, der am Licht schwarz wird, lässt an eine Porphyrie denken. Bei der Alkaptonurie verfärbt sich der Urin bei stehenlassen an der Luft durch Oxidation der Homogentisinsäure dunkelblau. 

 

Geruch des Urins 
Typische Gerüche sind diejenigen nach Ammoniak bei bakterieller Zersetzung des Urins und nach Aceton bei diabetischem Koma. Bekannt ist auch der Geruch nach Einnahme von Spargeln. 

 

Schaum 
Schaumbildung von farblosem Urin ist verdächtig auf das Vorliegen einer Proteinurie. Gelber bis brauner Schaum deutet auf vermehrte Ausscheidung von Gallensäuren und Gallenfarbstoffen (Bilirubin) hin.

Die diagnostische Bedeutung des Schaums ist heute so gering, dass wegen des möglichen Kontaminationsrisikos auf das Schütteln des Urins zur Schaumbildung verzichtet wird.

 zu: Urinstix


21.11.2000 / hpk