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Natrium 
 

 
Natrium und Wasserhaushalt 

Da Störungen des Wasser- oder Natriumhaushaltes praktisch nie isoliert auftreten und sich zudem über den osmotischen Druck und die Regelmechanismen gegenseitig beeinflussen, muss der Wasser- und Natriumhaushalt immer im gegenseitigen Zusammenhang beurteilt werden. 

Für die klinische Beurteilung der Situation ist wichtig abzuklären ( vorallem im Hinblick auf die Therapie):

  • das Ausmass der Abweichungen und 
  • ob die auslösende Ursache vorallem in einer Störung des Wasser- oder Natriumhaushaltes zu suchen ist.

Die Beurteilung wird dadurch erschwert, dass es keine Laboruntersuchungen gibt, die eine Aussage erlauben über:

  • den Wasserhaushalt: muss rein klinisch beurteilt werden
  • den Natriumbestand: messbar ist lediglich die Natriumkonzentration, die durch das Verhältnis zwischen Wasser und Natriummenge bestimmt wird.

Die klinischen Symptome beruhen vorwiegend auf die osmotisch bedingten Verschiebungen von Wasser zwischen extra- und intrazellulärem Raum und sind vorallem bei rasch auftretenden Störungen ausgeprägt.

 
Natrium: Vorkommen und Wirkung 

Natrium ist das häufigste extrazelluläre Kation im Organismus. Es trägt zu fast 50% zur Osmolalität im Plasma bei und spielt daher eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung des osmotischen Gleichgewichts und der normalen Wasserverteilung des EZR. Natriumionen spielen zudem eine wichtige Rolle für die Erregungsfortleitung in Nerven- und Muskelzellen.

Die Aufnahme von Natrium mit der Nahrung liegt ungefähr zwischen 100 und 200 mmol/Tag. Natrium wird zwar aktiv im Dünndarm resorbiert, die eigentliche Regulation des Natriumgehaltes erfolgt ausschliesslich durch die Nieren. Natrium wird glomerulär filtriert, jedoch im Tubulussystem unter der Einwirkung von Aldosteron bis zu 99% wieder tubulär rückresorbiert.

 
Primäre Korrektur von Störungen der Natriumkonzentration 

Zunahme des Natriums 
Bei einer Zunahme des Natriums kommt es zu einer Hypernatriämie und damit zu einer Erhöhung der Osmolalität. Dadurch werden folgende Korrekturmassnahmen in Gang gesetzt:

  • Osmotisch bedingte Verschiebung von Wasser aus den Zellen in den Extrazellulärraum.
  • Durst und damit eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme, sofern der Patient dazu in der Lage ist (Cave: Bewusstlose).
  • Vermehrte Freisetzung von ADH, die zu einer verstärkten renalen Retination von Wasser führt.
  • Verminderte Freisetzung von Aldosteron, was eine Verminderung der Natriumrückresorption in der Niere zur Folge hat.

Fazit: Das Ergebnis ist eine Normalisierung der Natriumkonzentration, die allerdings durch eine Zunahme des Extrazellulärvolumens begleitet ist. 

Verminderung des Natriums 
Eine Verminderung des Natriums (ohne gleichzeitigen Verlust von Wasser und bei intakter Osmoregulation) bewirkt:

  • Eine osmotisch bedingte Verschiebung von Wasser aus dem extrazellulären Raum in die Zellen.
  • Ein Sistieren der ADH-Sekretion, so dass von den Nieren vermehrt Wasser ausgeschieden wird.
  • Gleichzeitig wird durch eine vermehrte Produktion von Aldosteron die renale Rückresorption gesteigert.

Fazit: Im Endeffekt kommt es über eine Abnahme des Extrazellulärvolumens zu einer Normalisierung der Natriumkonzentration.

Daraus ergeben sich folgende Erkenntnisse

  • Der entscheidende Faktor für die Natriumkonzentration ist nicht der Natriumbestand, sondern der Wassermetabolismus bzw. das Verhältnis zwischen Wasser und Natriummenge (Natriumbestand).
  • Veränderungen des Natriumbestandes führen wegen des Ausgleich des osmotischen Drucks zu Wasserverschiebungen zwischen den verschiedenen Kompartimenten bzw. zu Veränderungen des Extrazellulärvolumens.

 
Störungen des Wasser- und Natriumhaushaltes 

Mangel und Überschuss an Natrium und Wasser sind in der Klinik häufig auftretende Störungen.

Kombinierte Mangelzustände, d.h. ein gleichzeitiger Verlust von Natrium und Wasser ist wesentlich häufiger als isolierte Natrium- oder Wasserdefizite. Halten sich Natrium- und Wasserverlust etwa die Waage, so bleibt die Natriumkonzentration im Referenzbereich Gesunder. Der Volumenverlust ist in diesen Fällen klinisch zu diagnostizieren.

Hauptsymptome bei Volumenverminderung sind: verminderter Hautturgor, trockene Mundschleimhaut, verminderte Schweiss-Sekretion. Bei stärkerem Volumenverlust kann es zu einem Blutdruckabfall kommen (orthostatische Hypotonie = Abnahme des Blutdrucks um 10 mmHg beim Wechsel von der liegenden in eine aufrechte Körperhaltung). 

 
Hyponatriämie 

Ursachen (Aetiologie) 
Eine Hyponatriämie liegt vor, wenn die Plasmakonzentration des Natriums unter 135 mmol/L sinkt. 

Die Konzentration im Plasma sagt nichts aus über den Gehalt an Natrium im Organismus. So kann eine Hyponatriämie auftreten bei tiefem, normalem oder sogar erhöhtem Natriumgehalt und kann vorkommen bei vermindertem, normalem oder erhöhtem Extrazellulärvolumen. Eine Hyponatriämie bedeutet demnach lediglich, dass im Verhältnis zum Wasser zuwenig Natrium vorhanden ist.

Es existieren verschiedene Unterteilungen der Hyponatriämie. Eine klinisch nützliche Unterteilung unterscheidet zwischen:

  • Natriumverlust
    • Extrarenale Verluste
    • Renale Verluste
  • Natriumverdünnung
    • SIADH (Syndrom der inappropriaten ADH-Sekretion)
    • Generalisierte Ödeme
    • Hyperglykämie
    • Zufuhr grosser Wassermengen
  • und einer Pseudohyponatriämie.

Natriumverlust 
Ein Natriummangel ist praktisch immer auf einen Natriumverlust (extrarenal oder renal) zurückzuführen, da eine verminderte Natriumzufuhr sofort zu einer starken Einschränkung der renalen Ausscheidung führt. Bei extrarenalen Verlusten fällt das U-Natrium unter 10 mmol/l ab, bei renalen Verlusten liegt das U-Natrium üblicherweise über 20 mmol/l.

Cave: ist es zu einem ausgeprägten Mangel des Natriumbestandes gekommen, so kann auch bei einer renalen Ursache das U-Natrium zurückgehen.

  • Gastrointestinale Verluste
    Täglich werden ca. 8-10 Liter Flüssigkeit in den gastrointestinalen Raum sezerniert und grösstenteils wieder resorbiert. Bei Erbrechen, Diarrhöe oder Fisteln kann ein grosser Teil dieser Flüssigkeitsmenge verlorengehen. Dabei kann es zusätzlich zu einem Kaliumdefizit sowie zu einem Verlust von Wasserstoffionen (Magensaft) oder Bicarbonat (Pankreassaft) kommen.
  • Verluste durch die Haut
    Schweiss ist mit einer Natriumkonzentration von 5-50 mmol/l eine hypotone Flüssigkeit.
    Nach schweren und ausgedehnten Verbrennungen drohen grosse Flüssigkeitsverluste über die Haut.

Renale Natriumverluste können sowohl bei akutem wie auch chronischem Nierenversagen auftreten.

  • Akute Niereninsuffizienz
    Die häufigsten Ursachen des akuten Nierenversagens sind Sepsis und Schock.
    Das akute Nierenversagen ist klinisch u.a. durch eine Oligurie bzw. Anurie mit Anhäufung von harnpflichtigen Substanzen (Harnstoff, Creatinin usw.) gekennzeichnet. Typischerweise setzt dann in der Erholungsphase zwecks Ausschwemmung dieser retinierten Substanzen eine kurzzeitige, aber starke Polyurie ein, die zu einem Natrium- und Wasserdefizit führen kann.
  • Chronische Niereninsuffizienz
    Eigentliche natriumverlierende Nierenkrankheiten sind sehr selten. Allerdings ist bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz die Fähigkeit herabgesetzt, bei verminderter Zufuhr die renale Ausscheidung herabzusetzen und damit Natrium zu sparen. Wenn die Natriumzufuhr infolge Appetitlosigkeit oder Erbrechen herabgesetzt ist, können die Patienten in einen zunehmenden Natriummangel geraten.

Auch bei normaler Nierenfunktion kann es zu einem renalen Natriumverlust kommen:

  • Diuretikatherapie (z.B. Aszitesausschwemmung bei Patienten mit Leberzirrhose). Diuretika blockieren die Rückresorption von Natrium und Chlorid im Tubulussystem und führen so zu einer vermehrten Ausscheidung von Natrium und Wasser. (Anmerkung: Diuretika werden beispielsweise bei erhöhtem Blutdruck (Hypertonie) oder zur Ausschwemmung von Ödemen eingesetzt).
  • Osmotische Diurese: osmotisch wirksame Substanzen wie Glukose bei Glukosurie, osmotische Diuretika wie Mannitol, Harnstoff bei proteinreicher Ernährung nehmen bei der Ausscheidung im Urin entsprechende Wassermengen mit. Bei gleichzeitig auftretender allgemeiner Störung der Tubulusfunktionen kann es zu einem Natriumverlust kommen.
  • Mangel an Mineralcorticoiden (Aldosteron) kann bei Nebennierenrindeninsuffizienz (M. Addison) auftreten.

Verdünnungshyponatriämie: SIADH 
Beim Syndrom der inappropriaten ADH-Sekretion (SIADH) unterliegt die Sekretion des ADH nicht mehr der Steuerung durch die Serumosmolalität bzw. das Plasmavolumen.
Ursache des SIADH ist häufig eine ektopische ADH-Produktion bei:

  • Tumoren: kleinzelliges Bronchuskarzinom, Pankreaskarzinom, Duodenalkarzinom.
  • Lungenerkrankungen: Pneumonie, Lungenabszess, Tuberkulose, Aspergilllose.
  • Cerebralen Erkrankungen und
  • Therapie mit verschiedenen Medikamenten: z.B. Acetylsalicylsäure, Atropin, Carbamazepin usw.

Das klinische Bild zeichnet sich aus durch Kopfschmerzen, Muskelkrämpfen und -schwäche, Apathie oder Agitation, Übelkeit, Erbrechen und Anorexie. Schliesslich kann es zu Hirnödem mit Atmungsstörungen und Koma kommen.

Diagnostisch stellt man trotz einer Hyponatriämie ein U-Natrium von mehr als 20 mmol/L fest. Häufig ist die U-Osmolalität höher als die S-Osmolalität.

Generalisierte Ödeme 
Physiologischerweise tritt im Bereich der Kapillaren etwas Flüssigkeit in das Interstitium aus, die im venösen Teil grösstenteils wieder in den Blutkreislauf übernommen wird. Der Rest fliesst als Lymphflüssigkeit ab.

Bei Hypoproteinämie (vorallem deutlichem Albuminmangel) fliesst wegen des verminderten onkotischen Drucks in den Blutgefässen vermehrt Flüssigkeit in das Interstitium. Bei Herzinsuffizienz kann es zu einem erhöhten venösen Druck kommen, der die Wiederaufnahme von Flüssigkeit aus dem Interstitium erschwert. In beiden Fällen kommt es zur Ansammlung von isotoner Flüssigkeit im interstitiellen Raum (Ödem) oder auch im Bauchraum (Aszites).

Für die meisten Ödeme ist jedoch ein erhöhter Druck in den Kapillaren verantwortlich. Dieser kann beispielsweise bedingt sein durch Erhöhung des Plasmavolumens, Herzinsuffizienz oder venöser Obstruktion (Leberzirrhose oder tiefe Venenthrombose).

Als Ursache kommt auch eine erhöhte Permeabilität der Kapillaren in Frage (z.B. bei Sepsis).

Hyperglykämie 
Bei starker Erhöhung der Glukose im Plasma steigt der osmotische Druck in den Blutgefässen. Es kommt zu einem Einstrom von Wasser aus den Zellen in den EZR, bis der osmotische Druck wieder im Gleichgewicht ist. Durch die Zunahme des Wassers im Plasma kommt es zu einer Verdünnung der Natriumkonzentration.

Zufuhr grosser Mengen elektrolytfreien Wassers 
Eine übermässige, intravenöse Zufuhr an elektrolytfreiem Wasser, z.B. Glukoselösungen, kann zu einer Verdünnungshyponatriämie führen.
Bei der psychisch bedingten Polydipsie trinken die Patienten anfallsweise riesige Wassermengen, die von den Nieren wieder ausgeschieden werden müssen.

Pseudohyponatriämie 
Es handelt sich um eine messtechnisch bedingte, erniedrigte Natriumkonzentration bei Hyperproteinämie und Hyperlipidämie (siehe „Ionenselektive Elektroden: direkte und indirekte Potentiometrie“). Der Fehler tritt nicht auf, wenn die Natriumkonzentration mit direkter Potentiometrie gemessen wird.

Klinik der Hyponatriämie 
Die klinischen Symptome der Hyponatriämie werden durch das Auftreten und Ausmass einer Hypoosmolalität bedingt. Bedingt durch den osmotischen Gradienten kommt es bei Hypoosmolalität zu einem Einstrom von Wasser in die Zellen. In Erscheinung treten vorallem Störungen des Zentralnervensystems mit Übelkeit, Erbrechen und Krampfanfällen, die sich bis zum Koma oder sogar dem Tod steigern können.

 
Hypernatriämie 

Eine Hypernatriämie liegt vor, wenn das Serumnatrium auf einen Wert von mehr als 145mmol/l ansteigt. Bei einer Hypernatriämie liegt auch eine Hyperosmolalität vor.

Ursachen (Ätiologie) 
Ursachen einer erhöhten Natriumkonzentration sind grundsätzlich ein Zuwenig an Wasser oder ein Zuviel an Natrium, bzw. eine Kombination davon.

  • Ungenügende Wasserzufuhr: alte Menschen, Bewusstlose, Schiffbrüchige auf dem Meer.
    Wasserverlust über
    - Darm: Erbrechen, Diarrhöe
    - Niere: osmotische Diurese
    - Haut: Schwitzen, Verbrennungen
     
  • Zentraler oder peripherer Diabetes insipidus
    Beim Diabetes insipidus kommt es als Folge eines Mangels bzw. einer mangelnden Wirkung von antidiuretischem Hormon (ADH) zu grossen renalen Wasserverlusten. Beim zentralen Diabetes insipidus kann bedingt durch eine traumatische, tumoröse oder entzündliche Hirnschädigung kein ADH mehr abgegeben werden. Beim peripheren Diabetes insipidus ist zwar ADH vorhanden, die Sammelrohre der Nieren sprechen jedoch auf das Hormon nicht an.
     
  • Natriumüberschuss: primärer Hyperaldosteronismus oder iatrogen.
    Ein primärer Hyperaldosteronismus (= Conn Syndrom) beruht auf einer autonomen, übermässigen Aldosteronproduktion der NNR. Ursache ist in den meisten Fällen ein gutartiger Tumor. Die wichtigsten Symptome sind neben der durchaus nicht obligaten Hypernatriämie eine Hypertonie, Hypokaliämie, Proteinurie, Hyposthenurie, Polyurie, Nykturie, EKG-Veränderungen und Muskelschwäche. In der Regel treten jedoch keine Ödeme auf.

Klinik der Hypernatriämie 
Ein erhöhter Natriumgehalt des Organismus führt zu einem Entzug von Wasser aus den Zellen (intrazelluläre Dehydratation), was sich im Zentralnervensystem mit Durst, Verwirrtheit, Koma bemerkbar macht.

 
Messung der Natriumkonzentration 

Die Messung kann durchgeführt werden mit:

  • Ionenselektive Elektroden (ISE): direkte und indirekte Potentiometrie
  • Flammenemissionsphotometrie
  • Atomabsorptionsphotometrie

Die Messung des Natriums mittels Flammenemissionsphotometrie ist heute durch die Bestimmung mit ionenselektiven Elektroden (Prinzip siehe Ionenselektive Methoden: Glaselektroden). 

Während für die Bestimmung im Urin die indirekte Potentiometrie unumgänglich ist (Einstellung des pH und der Ionenstärke) sollte für Serum/Plasma die direkte Potentiometrie bevorzugt werden, da so die sog. Pseudohyponatriämie vermieden wird.

Die Atomabsorptionsphotometrie ist für die routinemässige Bestimmung zu aufwendig.

 
Referenzbereiche 

Serum 
Der Referenzbereich für Natrium in Serum/Plasma von Gesunden beträgt 137-142 mmol/L

Urin 
Ein eigentlicher Referenzbereich ist schwierig anzugeben, da die Ausscheidung stark von der nahrungsbedingten Aufnahme abhängig ist. Für klinische Beurteilung ist das U-Natrium immer im Verhältnis zum S-Natrium zu betrachten.

Alarmgrenze 
Bei einem S-Natrium von weniger als 120 mmol/L bzw. mehr als 155 mmol/L ist die Klinik bzw. der Auftraggeber unverzüglich zu unterrichten.

 


16.03.2001 / hpk