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  Antigen-Antikörper-Bindung 
 

Die Y-förmige Grundstruktur der Immunoglobuline hat es in sich: Einerseits binden Antigene an die spezifischen Antigenbindungsstellen (Fab) der Antikörper, somit werden die Antigene von den Antikörpern zusammengehalten und teilweise auch inaktiviert. Andererseits ist es auch wichtig, dass den Granulozyten, welche diese Antigene zur Elimination phagozytieren, dafür auch genügend Zeit zur Verfügung steht. Phagozyten besitzen auf ihrer Oberfläche Antikörperbindungsstellen (Fc-Rezeptoren), welche die konstante Region (Fc) der Antikörper des Typus IgG mitsamt den daran gebundenen Antigenen binden, so dass die Antigene nicht davontreiben (Brown'sche Bewegung). 

  • Die außerordentlich variablen V-Domänen, der oberste Teil der Fab-Regionen, beschäftigen sich hauptsächlich mit der Antigenbindung. Es können gleichzeitig zwei identische Epitope gebunden werden, sofern sie genügend nahe beisammenliegen (die Hinge- oder Scharnierregion ist, außer bei IgE flexibel). Diese Epitope können auf einem einzigen Antigen (seihe Abbildung) oder auch auf zwei verschiedenen Antigenen liegen. Dies gilt natürlich weder für das IgM, das zehn potentielle Antigenbindungsstellen aufweist (praktisch sind nur bis 5 Stellen besetzbar), noch für das sIgA, das vier Fab-Regionen besitzt. Wenn die Epitope, welche gebunden sind, auf mehreren Antigenen liegen, werden diese "kreuzvernetzt". Es entsteht also ein dreidimensionales Netzwerk aus Antigen-Antikörperkomplexen, das so groß werden kann, dass es von Auge sichtbar wird: eine Lösung, in der sich diese Ag-Ak-Komplexe befinden, wird trüb. Diese Präzipitation ist die Basis vieler qualitativer und quantitativer immunologischen Messmethoden (Ouchterlony, Nephelometrie). 
  • Die konstante C-Domäne besitzt eine Fc-Region, die, je nach Ak-Typus (IgG, IgA, IgE), an bestimmten Rezeptoren verschiedener Wirtszellen andocken kann. Diese Bindungsstellen sind z.B. für die Phagozytose wichtig.  Makrophagen, Granulozyten und andere Zellen des reticuloendothelialen Systems besitzen solche Fc-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche. Da im Kampf gegen Infektionserreger häufig auch das Komplementsystem aktiviert wird, kann man an ihrer Oberfläche oft gleichzeitig Antikörper und C3b (der Komplementfaktor, der opsonisiert) antreffen. (Opsonine)

Die Bindung von Antigen an den Antikörper geschieht über die Ausbildung von vielen nicht-kovalenten Bindungen zwischen den Aminosäuren des Antigens und des Antikörpers. Die intermolekularen Anziehungskräfte können nur wirken, wenn AG und AK sehr, sehr nahe aneinander liegen. (Die Energie ist proportional 1/d2 bei elektrostatischen Kräften, und 1/d7 bei Van der Waals-Kräften, d = Distanz) Obwohl jede einzelne beteiligte Bindungskraft für sich schwach ist (im Vergleich mit kovalenten Bindungen), ergibt die Summe aller dieser schwachen Bindungen eine beachtliche Bindungsenergie.

Antigen und Antikörper "passen" wie Schlüssel und Schloss

1. Die passende Atomgruppen müssen einander an den entsprechenden Stellen des Antigens und des Antikörpers genau gegenüberstehen ( plus gegenüber minus , O..H gegenüber ..O, etc.).

2. Die Form des Bindungsortes auf dem AK muss genau zum Antigen passen. Wenn die Elektronenwolken des AG und des AKs sich überlappen, treten sterische Abstoßungskräfte auf, die die Bindungsenergie herabsetzen („Schlüssel-Schloss-Prinzip).

Welches sind die Bindungskräfte zwischen Antigen und Antikörper? 

Die Kräfte, welche zwischen Antigen und Antikörper wirken, sind reversibel, nicht kovalent. Dies heisst, dass zwischen benachbarten Arealen auf Ag und Ak nur relativ schwache Bindungen eingegangen werden können. Dass die Bindungskraft zwischen Ag und Ak gesamthaft trotzdem sehr stark sein kann, ist bedingt durch die sehr grosse Zahl an Bindungsstellen zwischen Epitop und Paratop.

Wasserstoffbindungen Brückenbildung zwischen Sauerstoff- oder Stickstoffatomen von Antigen und Antikörper     (Ag-O - H - O-Ak oder  Ag-N - H - N-Ak)
Elektrostatische Kräfte entstehen, wenn sich positive und negative freie Ladungen auf Antigen und Antikörper gegenüber liegen
Van der Waals-Kräfte resultieren aus der Interaktion zwischen Elektronenwolken (Dipole)
Hydrophobe Wechsel- wirkungen basieren auf einer Verdrängung von Wasser- Molekülen durch apolare, hydrophobe Gruppen (aromatische Aminosäuren). Diese Bindungsart kann bis zu 50% der Bindungskräfte ausmachen.

Diese Kräfte können nur bei einer starken räumlichen Annäherung der interagierenden Gruppen wirksam werden. 

Dies hat u.a. Bedeutung in der Labordiagnose, so kann ein Überschuss an Antikörpern bereits gebildete Komplexe wieder auflösen (Equivalenzmenge bei der Präzipitation).

Auch ist es möglich, Komplexe von Ag und Ak durch einer Lösung mit einer hohen Salzkonzentration zu trennen (Kompetition). So können gebundene Ak von Trennsäulen geerntet werden.

Die totale Bindungsstärke kann in einzelnen Fällen durch die Summation der vielen einzelnen reversiblen Bindungen so stark sein, dass man einmal gebildete Komplexe nur schwer auflösen kann.

 


22.07.2003 /bw