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Harnwegsinfektionen  
 
 
Harnwegsinfektion 
Der Begriff "Harnwegsinfektion" umfasst akute und chronische Entzündungsprozesse im Bereich der Niere und/oder ableitenden Harnwege.

Normalerweise werden Erreger, welche über die Urethra in die Harnblase eindringen, bei der Entleerung der Blase wieder herausgespült. Besonders bei Abflussbehinderungen des Urins kann es jedoch zu Entzündungen der Harnblase (Zystitis) kommen. Steigen die Keime über die Harnleiter bis zum Nierenbecken auf, so spricht man von einer Pyelitis, wird zusätzlich auch die Niere infiziert, so handelt es sich um eine Pyelonephritis. Zystitis wird auch als unterer, Pyelitis und Pyelonephritis als oberer Harnwegsinfekt bezeichnet. 

Eckpfeiler der Diagnostik

  • Bei Verdacht auf Urethritis ist die erste Urinportion zu untersuchen.
  • Für die Diagnostik einer Harnwegsentzündung werden mehr als 100 000 Keime pro mL (105/mL) gefordert.
  • Mischkulturen mit mehreren Keimen (mehr als 3 Arten) sind verdächtig auf eine Kontamination bei der Urinsammlung.
  • Harnwegsinfekte werden häufig durch Keime hervorgerufen, die zur Darmflora gehören: E.coli (60%), Proteus (15%), Klebsiellen (10%) und Streptococcus faecalis (10%).
  • Bei anatomischen Abnormalitäten der Nieren oder der ableitenden Harnwege treten auch kompliziertere Harnwegsinfekte auf (z.B. Pseudomonas). Besonders gefährdet sind Patienten mit Blasenkatheter. 
  • Die Aussagekraft der Untersuchung mit dem Urinstix, der mikroskopischen Untersuchung des Sediments und der Flowzytometrie hängt entscheidend von der Probennahme (Mittelstrahlurin) und der Zeitdauer zwischen Miktion und Untersuchung ab. 

Klinisch wird zwischen folgenden Formen von Harnwegsinfekten unterschieden:

  • Asymptomatische Bakteriurie
  • akute Zystitis
  • akute Pyelonephritis
  • chronische Pyelonephritis

Begünstigende Faktoren für das Auftreten eines Harnwegsinfekts sind:

  • Gestörter Abfluss des Urins: Nierensteine, Tumoren, Prostatavergrösserung, Querschnittslähmung, angeborene Fehlbildung der ableitenden Harnwege
  • Missbrauch von nierenschädlichen Medikamenten: z.B. Phenacetin, Paracetamol
  • Instrumenteller Eingriff an den Harnwegen: z.B. Blasenkatheter
  • Schwangerschaft
  • Immunschwäche bzw. -suppression
  • Diabetes mellitus
  • bei Frauen: häufiger Geschlechtsverkehr ("Honeymoon-Zystitis", neuer Partner).

 

Asymptomatische Bakteriurie 
Obwohl im Urin vermehrt Bakterien nachweisbar sind, haben die Patienten keine Beschwerden, d.h. die Bakterien werden zufällig anhand einer Urinuntersuchung nachgewiesen.

Etwa 5% aller Frauen haben eine asymptomatische Bakteriurie. Eine Behandlung ist nur angezeigt, falls eine Anomalie der Harnwege (Obstruktion) vorliegt und in der Schwangerschaft. 

 

Akute Zystitis 
Ein Infekt der unteren Harnwege, d.h. ohne Beteiligung der Nieren, wird klinisch allgemein als unkomplizierter Infekt bezeichnet.  Etwa 10%-20% aller Frauen haben mindestens einmal in ihrem Leben einen Harnwegsinfekt.

Pathogenese: Meistens wandern Keime aus dem Darm über die Harnröhre in die Harnblase, man spricht daher von einer aszendierenden (aufsteigenden) Infektion. Begünstigt werden Blasenentzündungen durch Abflusstörungen, Katheterisierung und bei Frauen durch Geschlechtsverkehr. 

Symptome einer Zystitis: 

  • Pollakisurie 
  • Schmerzen beim Urinieren 
  • Harndrang 
  • krampfhafte Blasenkontraktionen (Blasentenesmen).

 

Akute Pyelonephritis 
Pyelonephritis heisst Nieren- und Nierenbeckenentzündung. 

Pathogenese: die akute Pyelonephritis entsteht meistens durch das Aufsteigen von bakteriellen Erregern einer Blasenentzündung in das Nierenbecken mit nachfolgendem Befall des Nierenparenchyms. 

Symptome einer akuten Pyelonephritis

  • Fieber (septische Temperaturen und Schüttelfrost), klopfschmerzhaftes Nierenlager, allgemeine Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, abdominale Schmerzen.
  • Zusätzlich bestehen oft Zeichen der Blasenentzündung.

Die Hauptgefahr der akuten Pyelonephritis ist die Urosepsis.

 

Chronische Pyelonephritis 

Die chronische Pyelonephritis entsteht meistens aus nicht abgeheilten Harnwegsinfekten. Dies ist insbesondere der Fall bei Harnabflussbehinderungen (Obstruktionen, z.B. bei Fehlbildungen) der ableitenden Harnwege. Ein weiterer bedeutender Risikofaktor ist das Vorliegen eines Diabetes mellitus. 

Die Symptome sind häufig nicht ausgeprägt: 

  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit
  • dumpfe Rückenschmerzen, Klopfschmerzen im Nierenlager
  • Brechreiz, Gewichtsverlust
  • abnorme Blässe
  • evtl. arterielle Hypertonie

Differentialdiagnostisch ist eine chronisch interstitielle Nephritis abzugrenzen. 

Eine wesentliche Komplikation einer chronischen Pyelonephritis ist die fortschreitende und schliesslich terminale Niereninsuffizienz.

 
Diagnostik der Harnwegsinfekte 

Bei einer Harnwegsinfektion sind im Urin Bakterien (mehr als 100 000 Keime/ mL Urin = signifikante Bakteriurie) und Leukozyten nachweisbar. Werden massenhaft Leukozyten im Urin ausgeschieden, so spricht man von einer Pyurie.

Bakteriurie ohne Leukozyturie spricht für 

  • eine Immunschwäche bzw. -suppression oder  
     
  • einen Entnahmefehler (Wachstum von Bakterien im Röhrchen bei einer zu grossen zeitlichen Lücke zwischen Probenentnahme und Untersuchung). 

Leukozyturie ohne signifikante Bakteriurie lässt an folgende Möglichkeiten denken:

  • Urethritis
  • Atypische Erreger, z.B. M. tuberculosis (Tuberkelbazillen werden nicht wesentlich durch Granulozyten beseitigt). 
  • abakterielle Nierenerkrankungen wie Glomerulonephritis, Nephrosklerose, Zystennieren, Gichtniere, diabetische Nephropathie.

Indikationen zur Diagnostik: bei unkomplizierten, ambulant erworbenen Harnwegsinfekte wird oft auf eine mikrobiologische Abklärung verzichtet und unverzüglich eine antibiotische Therapie eingeleitet. Bei allen nosokomialen und allen komplizierten Harnwegsinfekten sowie bei Therapieversagen sind eine Erregeridentifizierung und Antibiotikasensibilitätsbestimmungen anzustreben. 

Urinstix 
es gibt zwar kein "Bakterien-Feld", aber mit Hilfe des Leukozyten-Feldes und des Nitritfeldes kann indirekt auf einen Harnwegsinfekt geschlossen werden. 

Mikroskopische Untersuchung (Urinsediment) 
im Urinsediment können u.U. massenhaft Bakterien gefunden werden. Allerdings ist eine weitere Differenzierung kaum möglich. Notfallmässig kann eine Gramfärbung durchgeführt werden. Zu suchen ist immer auch nach Sprosspilzen (Candida albicans).

Flowzytometrie 
die Bakterien werden quantifiziert. Es wird unterschieden zwischen Bakterien und kleinen Bakterien (HBACT). 

Mikrobiologische Untersuchungen 
Für mikrobiologische Untersuchungen werden Eintauchnährböden (Uricult) verwendet. Diese sind auf zwei Seiten mit Agar beschichtet, auf dem die wichtigsten Erreger wachsen. 

Bei einer fiebrigen Pyelonephritis sollten zusätzlich Blutkulturen angelegt werden, da der Erreger in 30%-40% der Fälle auch im Blut zu finden ist. 

 zu: akute tubuläre Nekrose


21.11.2000 / hpk