Biorama / Bibliothek / Klinische Chemie / Niere und Harnwege:
 
Urinbefunde: Aminoazidurien  
 
 
Störungen des Aminosäurenstoffwechsels 

Störungen des Aminosäurenstoffwechsels

Bekannt sind mehr als 70 angeborene oder erworbene Störungen des Aminosäurestoffwechsels (Aminoazidopathien). Sie sind jedoch insgesamt selten, d.h. etwa 1 auf 1000 Lebendgeburten.

Aminoazidopathien lassen sich unterteilen in

  • Hyperaminoazidurien
  • Aminosäurespeicherkrankheiten
  • Störungen durch enzymatische Defekte
 
Hyperaminoazidurien 

Aminoazidurien treten auch bei Gesunden auf. Sie sind dann jedoch vorübergehend und mit einer erhöhten Aufnahme von Proteinen verbunden.

Die Rückresorption der glomerulär filtrierten Aminosäuren geschieht in den proximalen Nierentubuli über Rezeptoren, die spezifische Aminosäuren bzw. Aminosäuregruppen erkennen und transportieren können. Störungen treten auf, wenn der Rezeptor gesättigt, kompetitiv durch andere Substrate besetzt oder in seiner Struktur bzw. Funktion gestört ist.

Die eigentlichen Aminoacidurien können in primäre und sekundäre unterteilt werden. Die primären Aminoacidurien sind angeboren (inborn errors of metabolism). Sekundäre Aminoacidurien beruhen auf einer Organerkrankung (Leber) oder einer generellen tubulären Dysfunktion.

Cystinurie 
Die Cystinurie ist die häufigste angeborene Störung. Sie ist bedingt durch einen Defekt an demjenigen Membranrezeptor, welcher die zweibasigen Aminosäuren Lysin, Arginin, Ornithin und Cystin erkennt. Cystin zeigt mit ca 300 mg/L Urin die geringste Wasserlöslichkeit dieser Aminosäuren. Bei übermässiger Ausscheidung im Urin (homozygote Träger scheiden 600-1800 mg Cystin pro Tag aus) kommt es daher zu Bildung von Nierensteinen (Urolithiasis).
Klinisch äussert sich die Cystinurie vorallem mit den Symptomen der Nierensteine: Nierenkoliken, Hämaturie, Urinabflussstörungen (obstruktive Uropathie) und Infektionen.
Diagnostisch ist der chromatographische oder elektrophoretische Nachweis von Cystin bzw. der Cystinnachweis in einem Nierenstein. 

Einen ersten Anhaltspunkt liefert der Nachweis von Cystinkristallen im sauren Urinsediment. Cystinkristalle sind farblos und treten als sechseckige Tafeln auf. Sie sind löslich in Salzsäure, nicht aber in Essigsäure. In bakterienhaltigem Urin werden sie rasch zerstört, für die Untersuchung muss also frischer Urin verlangt werden.

Abb. 1: Cystinkristalle

Therapeutisch steht eine Steigerung des Urinvolumens im Vordergrund. Angestrebt wird eine Flüssigkeitszufuhr von 4-8 Litern täglich. Da die Wasserlöslichkeit von Cystin bei einem pH von mehr als 7.5 rasch zunimmt, kann auch eine Alkalisierung des Urins mit Natriumbicarbonat oder Acetazolamid versucht werden. 

Generalisierte Aminoazidurien
Bei allgemeiner Schädigung der tubulären Rückresorption kommt es zu einer vermehrten Ausscheidung aller Aminosäuren. In der Regel gesellen sich dann weitere Funktionsstörungen dazu, wie Glukosurie, Phosphaturie u.a.

 
Aminosäurenspeicherkrankheiten 

Cystinose 
Die Cystinose ist eine seltene idiopathische Erkrankung, die durch eine Anhäufung cystinhaltiger Kristalle in zahlreichen Geweben wie Kornea, Knochenmark, Lymphknoten und Nieren geprägt wird. 
Vom Auftreten her lassen sich eine kindliche, eine juvenile Cystinose sowie eine Erwachsenencystinose abgrenzen. Bei der kindlichen und juvenilen Form steht die Nierenschädigung im Vordergrund, während die Erwachsenform milder verläuft und meistens auf Cystineinlagerung in die Kornea begrenzt ist (Photophobie).

Alkaptonurie 
Die Alkaptonurie ist eine seltene, vererbte Erkrankung des Tyrosinabbaus, bedingt durch eine schadhafte Homogentisinoxygenase. 

Abb. 2: Stoffwechsel des Phenylalanins. Phenylalanin ist der Ausgangspunkt lebenswichtiger Verbindungen

Es kommt zu einer vermehrten Ausscheidung von Homogentisinsäure im Urin, aber auch zu einer Homogentisinanhäufung im Gewebe. Wenn sich Homogentisinsäure an Kollagen bindet, entsteht eine blaugraue Pigmentierung, die als Ochronose bezeichnet wird. Bevorzugte Stellen sind wenigdurchblutete Gewebe wie Ohren- und Nasenknorpel, Skleren, Bandscheiben.

Klinisch äussert sich die Erkrankung durch die ochronotische Pigmentierung und eine Arthritis mit gichtähnlichen Schmerzanfällen sowie degenerativen Veränderungen an Gelenken und Wirbelsäulen. Diagnostisch sind Dunkelfärbung des Urins bei längerem Stehenlassen und die Messung der Homogentisinsäure im Urin.

 
Störungen durch enzymatische Defekte 

Phenylketonurie 
Der Phenylketonurie liegt eine autosomal-rezessiv vererbte verminderte katalytische Aktivität des Enzyms Phenylalanindehydroxylase zugrunde. Dadurch ist die Umwandlung von Phenylalanin in Tyrosin gestört. 

Die Krankheit wird in der Schweiz durch das allgemeine Screening von Neugeboren erfasst. Andernfalls kommt es ohne Behandlung, die innerhalb von 30 Tagen nach der Geburt einsetzen muss, zu einer Anhäufung von Phenylalanin und seiner Metaboliten. Dies führt innerhalb des ersten Lebensjahres zu schwerer mentaler und psychomotorischer Retardierung, sowie zu Hyperaktivität, Tremor und Krampfanfällen.

Die Behandlung besteht in einer Diät, bei der ein grosser Teil der Proteine durch ein phenylalaninarmes Aminosäurengemisch ersetzt wird.

Homocystinurie 
Der Begriff Homocystinurie umfasst eine Gruppe biochemisch und klinisch unterschiedlicher Erkrankungen, bei denen eine Akkumulation der schwefelhaltigen Aminosäure Homocystin in Blut und Urin auftritt. 

Die Anhäufung von Homocystin führt zu einer Störung der Kollagenbildung.

 
Diagnostik 

Um einen möglichen Schaden zu verhindern, müssen Störungen des Aminosäurenstoffwechsel so rasch wie möglich nach der Geburt diagnostiziert werden. Allerdings sind diese Krankheiten selten und die Symptome oft unspezifisch. Abklärungen sind indiziert bei ständigem Erbrechen, fehlender Entwicklung, neurologischen Symptomen, besonders wenn sie mit Änderung der Ernährung einhergehen.

Diagnostisch werden zur Bestimmung von Aminosäuren folgende Methoden eingesetzt:

  • Dünnschichtchromatographie: kann als ein- oder zweidimensionale Chromatographie durchgeführt werden. Wird vorwiegend als Screeningtest verwendet.
  • Für quantitative Bestimmung eignen sich Ionenaustausch-Chromatographie oder HPLC.
  • Die besten Resultate erreicht die GC/MS (Gaschromatographie/Massenspektrometrie).

 

 zu: Proteinurie


21.11.2000 / hpk