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Urinbefunde: Erythrozyten  
       (Hämaturie, Hämoglobinurie, Myoglobinurie)
 
 
Die Fragestellung 

Blutungen im Nierenbereich sind immer abklärungsbedürftig. Die Untersuchung des Urins im Labor soll folgende Fragen beantworten

  • Liegt eine pathologische Ausscheidung von Erythrozyten (Hämaturie) vor ?
  • Ist eine Aussage über die Blutungsstelle (Lokalisation) möglich ?
  • Liegt eine Hämoglobinurie oder eine Myoglobinurie vor ?

Anmerkung: da es bis heute nicht klar ist, ob in den Tubuli überhaupt eine Gerinnung möglich ist, werden Gerinnsel grundsätzlich als extrarenalen Ursprungs betrachtet.

 
Beschreibung der Erythrozyten 

Isomorphe Erythrozyten 
"Normale" Erythrozyten erscheinen im Mikroskop als runde, ähnlichgrosse, kernfreie Zellen mit scheinbarer Doppelkontur. Grösse und Form ist jedoch stark vom Urinmilieu abhängig.

Bei stark hypertonem Urin werden Erythrozyten durch Wasserverlust zuerst zu Mikrozyten (Durchmesser 5 - 7 µm), dann zu kugeligen Sphärozyten, um schliesslich die bekannte Stechapfel-Form anzunehmen: kugelförmige Erythrozyten mit gekerbtem Rand (engl. "creanated cells"). 

In einem Urin mit einem spezifischen Gewicht unter 1010 und alkalischem pH kommt es zur Lyse der Erythrozyten. Sie schwellen wegen der osmotisch  bedingten Wasseraufnahme an, gleichzeitig beginnt das Hämoglobin auszutreten. Im Extremfall sind nur noch die Zellumrisse vorhanden: Erythrozyten-Schatten (engl. ghosts). 

Dysmorphe Erythrozyten 
Dysmorphe Erythrozyten weisen Deformitäten (Beulen und Zapfenbildungen) auf. Eine Sonderform der dysmorphen Erythrozyten sind die Akanthozyten, welche bläschenförmige Ausstülpungen aufweisen. Finden sich in einem Urin mit Mikrohämaturie mehr als 70% dysmorphe Erythrozyten, so ist ein glomerulärer Ursprung der Blutung wahrscheinlich.

Anmerkung: es ist besser, wenn man aus der Sicht des Labors von isomorphen und dysmorphen Erythrozyten spricht, anstatt zu behaupten die Erythrozyten seien nicht-glomerulären oder glomerulären Ursprungs. 

 

Die Ergebnisse der verschiedenen Methoden 

Unmittelbare Untersuchung des Urins 
Enthält der Urin eine grössere Menge Blut, so dass von Auge eine rötliche Verfärbung sichtbar ist (ab ca. 1 mL Blut pro Liter Urin), so spricht man von einer Makrohämaturie. Bei einer Mikrohämaturie ist der Nachweis von Blut nur mittels Labormethoden ( Urinstix, Mikroskop bzw. Durchflusszytometrie)  möglich.

Eine Rotfärbung des Urins kann aber auch nach der Einnahme von Randen oder Medikamenten auftreten, so dass eine Rotfärbung nicht sehr spezifisch ist.  
 

Der Urinstix 
Im Urinstix werden  sowohl intakte Erythrozyten wie auch, in Form des Hämoglobins, aufgelöste rote Blutkörperchen erfasst. 

Das Erythrozytenfeld ist meistens so eingestellt, dass ab 5 Erythrozyten/µL ein positives (pathologisches) Ergebnis anzeigt wird.

Das "Hämoglobin-Feld" reagiert gleichermassen auf Hämoglobin und Myoglobin. 

Mikroskopische Untersuchung des Urins 
Für den Nachweis von Erythrozyten bzw. die Ausscheidung von Hämoglobin oder Myoglobin ist die mikroskopische Untersuchung des Urinsediments sehr aufschlussreich. 

  • Erythrozyten 
    Finden sich bei einem unauffällig aussehenden Urin in mehr als 5 Gesichtsfeldern (40er Objektiv, 10er Okular) mehr als 5 Erythrozyten, so besteht eine Mikrohämaturie. Grenzwertig sind 6-10 Erythrozyten, pathologisch mehr als 10 Erythrozyten/Gesichtsfeld. Ab 2000 Erythrozyten/GF spricht man von einer Makrohämaturie. 

    Es ist zu unterscheiden zwischen 

    • isomorphen und
    • dysmorphen Erythrozyten.

    Finden sich in einem Urin mit Mikrohämaturie mehr als 70% dysmorphe Erythrozyten, so gilt ein glomerulärer Ursprung der Blutung als wahrscheinlich.
     

  • Hämoproteinzylinder 
    sind erkenntlich als homogene Zylinder aus Hämoglobin oder Myoglobin von charakteristischer dunkelbraun-roter Farbe. 

    Eine Unterscheidung zwischen Hämoglobin- und Myoglobinzylindern ist morphologisch nicht möglich. Lediglich aus der klinischen Situation ist eine Zuordnung der Hämoproteinzylinder zulässig.

    Hämoglobinzylinder sind bei verschiedenen Formen von Hämoglobinurie zu finden, so nach Transfusionszwischenfällen oder bei hämolytischen Krankheiten.

    Zum Auftreten von Myoglobinzylindern kommt es bei Crush-Syndrom und anderen Muskelläsionen. 
     
  • Erythrozyten-Zylinder 
    Beschreibung: Zylinder, die aus einer Proteinmatrix mit eingelagerten Erythrozyten bestehen. Da sich Zylinder nur in den Tubuli bilden können, müssen die eingelagerten Erythrozyten ebenfalls aus der Niere stammen. Diese Erythrozyten sind meistens glomerulären Ursprungs. 

Flowzytometrie 
Bei der Flowzytometrie werden die Erythrozyten im unzentrifugierten Urin quantitativ erfasst. Als normal gilt eine Erythrozytenzahl von weniger als 15/µL (97.5 Perzentile)

Aufgrund der Grössenverteilung der Erythrozyten liefert das Gerät zudem einen Hinweis, ob es sich um isomorphe oder dysmorphe Erythrozyten handelt. Zudem werden die Anzahl der nicht-lysierten und lysierten Erythrozyten angegeben. 

Erythrozytenzylinder können als solche vom Flowzytometer nicht erkannt werden, sie werden den Zylindern mit Einschlüssen zugerechnet. 

Anmerkung I: es ist ausserordentlich wichtig frischen Urin zu untersuchen, da mit zunehmender Lagerungsdauer der Urinprobe auch der Anteil an dysmorphen Erythrozyten zunimmt. Es gibt Autoren, welche bei der Fragestellung nach dysmorphen Erythrozyten eine spezielle Probennahme fordern.

Anmerkung II: es ist möglich, dass kleine Bakterien wegen Überlappung der beiden Bereiche irrtümlich den Erythrozyten zugeordnet werden.

 

Hämaturie 
 
Definitionen der Hämaturie
 
Eine Hämaturie kann durch verschiedene Methoden erfasst werden, entsprechend wird auch die Hämaturie unterschiedlich festgelegt: 
  • Urinstix (Nativ-Urin)
  • Mikroskopie (Urinsediment): Eine Ausscheidung bis zu 5 Erythrozyten pro Gesichtsfeld gilt als normal. Häufig werden  6-10 Erythrozyten als grenzwertig, mehr als 10 Erythrozyten/Gesichtsfeld als sicher pathologisch gewertet..
  • Durchflusszytometrie (Nativ-Urin): 

Enthält der Urin eine grössere Menge Blut, so dass von Auge eine rötliche Verfärbung sichtbar ist (ab ca. 1 mL Blut pro Liter Urin), so spricht man von einer Makrohämaturie. Bei einer Mikrohämaturie ist der Nachweis von Blut nur mittels Labormethoden (Urinstix, Mikroskop bzw. Durchflusszytometrie möglich).

Die Teststreifen erfassen sowohl intakte Erythrozyten als auch freigewordenes Hämoglobin. Sie sind so eingestellt, dass sie ab 5 Erythrozyten/µL ein positives (pathologisches) Ergebnis anzeigen. 

Die Untersuchung der Erythrozytenmorphologie ermöglicht den Nachweis, dass eine Hämaturie glomerulär bedingt ist. Während Erythrozyten, die aus den ableitenden Harnwegen oder dem Papillenbereich stammen, eine unversehrte Oberfläche aufweisen, zeigen Erythrozyten glomerulären Ursprungs typische Deformierungen ihrer Oberfläche (Akanthozyten).

Auch das Auftreten von Erythrozytenzylindern ist ein sicherer Hinweis auf eine glomeruläre Blutung. 

Differentialdiagnose Hämoglobinurie/Myglobinurie 
Teststreifen erfassen neben Hämoglobin auch Myoglobin. Als einfachste Differenzierungsmethode empfiehlt sich die Inspektion des Serums: bei Hämoglobinurie ist das Serum verfärbt, bei Myoglobinurie nicht. Ursache der Myoglobinurie ist eine ausgedehnte Schädigung der Muskulatur.

Ursachen der Hämaturie 
Etwa 25% der Patienten mit Hämaturie leiden an einer Zystitis oder Urethritis, bei 20% liegt eine Nephrolithiasis, bei 15% Tumoren, bei 10% eine Glomerulonephritis und 10% eine benigne Prostatahyperplasie vor. 

Eine Hämaturie kann auch durch körperliche Belastung (sog. Marsch-Hämaturie, auch bei Joggen oder Tanzen) hervorgerufen werden. Zu den Medikamenten, die zu einer Hämaturie führen können, gehören Chemotherapeutika, Antikoagulantien und Fibrinolytika, Diuretika, Glukokorticoide, Thyreostatika, Zytostatika, Anthelminthika, Vitamin D, Analgetika und Psychopharmaka. 

Grundsatz: eine schmerzlose Hämaturie gilt solange als tumorverdächtig, bis das Gegenteil bewiesen ist ! Allerdings kann auch eine Nephrolithiasis schmerzlos verlaufen. 

Häufigste Ursachen einer Hämaturie bei Kindern sind Glomerulonephritis, akuter Harnwegsinfekt, Harnwegsanomalien (Abflussstörungen), Traumata und Konkremente . Die neonatale Hämaturie bedarf der notfallmässigen Abklärung und ggf. Therapie. 

Ursachen der Hämoglobinurie 
eine Lyse von Erythrozyten kann in vivo und in vitro auftreten. In vivo ist zu unterscheiden, zwischen einer prärenalen, einer renalen oder postrenalen Hämolyse. 

 zu: Leukozyten


21.11.2000 / hpk